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Lohn statt Taschengeld!

Sozialminister Rauch: „Integrationspolitisch geboten, volkswirtschaftlich sinnvoll und in Hinblick auf den Arbeitsmarkt: positiv.“

Am 12. Dezember 2023 wurde eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien vorgestellt. Bei der Pressekonferenz sprachen der Sozialminister Rauch, Arbeitsminister Kocher und Behindertenrat Präsident Widl, sowie die Wissenschafter:innen über die Bedeutung der Ergebnisse. Worum es bei der Thematik geht und was die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind, wird in diesem Artikel erläutert.

Recht auf Arbeit, Recht auf Bezahlung

Rund 28.000 Menschen mit Behinderungen, die als arbeitsunfähig eingestuft sind, sind in sogenannten Tages- und Beschäftigungsstrukturen tätig. Je nach Schweregrad der Behinderung und individuellen Fähigkeiten gibt es verschiedene Angebote. Leistungen der Behindertenhilfe umfassen dabei Beschäftigungstherapien, berufliche Qualifizierungsangebote oder arbeitsmarktähnliche Tätigkeiten. In diesen „Werkstätten“ sind Menschen mit Behinderungen für ihre Beschäftigung und Arbeit unfallversichert und erhalten 35-100€ Taschengeld pro Monat.

Dieses Modell wird von Interessenvertretungen schon lange kritisiert, da es nicht den Grundsätzen der Behindertenrechtskonvention entspricht. Klaus Widl, Präsident des Österreichischen Behindertenrates betont, dass die UN Behindertenrechtskonvention definiert, dass für „Menschen mit Behinderungen (ein Recht auf) ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechende Arbeitsmöglichkeiten in einem inklusiven Arbeitsmarkt gilt und die Arbeit auch so entlohnt wird, dass man davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann“. Dieses Menschenrecht bleibt den 28.000 Menschen verwehrt.

Dabei ist das Werkstätten System nicht prinzipiell abzuschaffen, denn viele Menschen mit Behinderungen finden dort eine sinnstiftende Tätigkeit und ein berufliches Umfeld, in dem sie erfolgreich arbeiten können. Problematisch sind dabei 3 Aspekte: es gibt weiterhin keinen inklusiven Arbeitsmarkt, Menschen in Werkstätten haben keinen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen, Pensionsvorsorge etc., und sie erhalten mit durchschnittlich 44€ im Monat keine angemessene Entlohnung.

„Damit werden sie ihr Leben lang in der Rolle eines Kindes gehalten. Außerdem ist es völlig unverständlich für sie warum sie keine Entlohnung erhalten, obwohl sie bis zu 40h in der Woche ihrer Arbeit nachgehen.“

Klaus Widl

Inklusion? Fehlanzeige!

Ein inklusiver Arbeitsmarkt würde Menschen mit Behinderungen ermöglichen den Tätigkeiten nachzugehen, die sie in der Lage sind gut umzusetzen. In Werkstätten wird im Gegensatz zur Vorstellung mancher, nicht einfach gebastelt und gesungen, sondern Menschen mit Behinderungen arbeiten zum Großteil als reguläre Arbeitskräfte. Mögliche Tätigkeiten sind dabei handwerkliche Arbeiten, Kalender in Kuverts einpacken, Kuvertieren von Briefen, Kartons zerkleinern, Gemüse sortieren oder Gegenstände bedrucken. Solche Tätigkeiten sind körperlich teilweise anstrengend und die Arbeitszeiten sind genau geregelt. Manche Auftragsarbeiten wie Verpackung von Infomaterialien wird mit durchschnittlich lediglich 20€ „entlohnt“. Bei Zuspätkommen wird das Taschengeld noch gekürzt.

Taschengeld für Vollzeit Arbeit

„Viele dieser Einrichtungen übernehmen Produktionsaufträge und sagen den Auftraggebern termingerechte Leistungserfüllung zu. Dabei werden industrielle Massenwaren oder Manufakturartikel produziert.“

Volksanwaltschaft 2019

Solche Tätigkeiten sind für eine Gesellschaft genauso notwendig, wie andere Berufe. Irgendjemand muss auch diese Jobs machen und im Werkstatt System finden Menschen nach ihren Möglichkeiten damit eine sinnvolle Betätigung. Während der Covid-Pandemie wurden beispielsweise die PCR Test-Kits auch von Werkstättenarbeiter:innen zusammengestellt. Diese Aufgaben sind notwendige Arbeiten, die viele Menschen nicht machen wollen würden, selbst wenn sie fair entlohnt wären.

„Es braucht in dieser Frage einen Perspektivenwechsel. Menschen mit Behinderungen können ganz Vieles. Sie haben Talente, Ressourcen, Fähigkeiten. Wir sollten den Blick darauflegen und nicht so sehr auf was sie nicht können“,

Sozialminister Rauch

Das unterstreicht wie wichtig es ist hier für Gerechtigkeit zu sorgen, denn Menschen mit Behinderungen haben genauso ein Recht auf angemessene Bezahlung für Vollzeitarbeit wie jeder andere Mensch. Die Volksanwaltschaft betont:

„Gerechtfertigt wird das „Taschengeld-Modell“ damit, dass in den Tagesstrukturen kostenintensive Betreuungen angeboten werden. Dies mag zwar auf mehrere Einrichtungen zutreffen. Aber in verschiedenen Einrichtungen werden Produktionsaufträge von privaten Unternehmen übernommen, Produkte in Geschäften verkauft und Überschüsse durch die Arbeit erwirtschaftet.“

Volksanwaltschaft 2019

Kein Lohn = kein Pensionsanspruch

Ein großes Problem der Taschengeld-Struktur ist auch, die fehlende Absicherung von Menschen mit Behinderungen. Nur 3% dieser Gruppe erhält eine Alterspension. Meistens sind das Personen, die im Laufe des Arbeitslebens schwer erkrankten oder durch einen Unfall eine Behinderung erlangten, weshalb sie vom regulären Arbeitsmarkt in eine Werkstatt kamen. Menschen mit Behinderungen, die beispielsweise von Geburt oder früher Kindheit an als arbeitsunfähig eingestuft wurden, haben keine Chance aus diesem System auszubrechen und sind ein Leben lang auf Ergänzungsleistungen der Sozialhilfe angewiesen.

“Menschen mit Behinderung können nach der Sozialhilfelogik ihre Situation weder durch eigenen Willen und eigene Leistung noch durch Erbschaften, Schenkungen oder Ähnliches verbessern. Sie sind zu einem Leben auf unterstem Existenzsicherungsniveau gezwungen.“

Volksanwaltschaft 2019

Im nächsten Teil des Berichtes zu „Lohn statt Taschengeld“ geht es um die Studienergebnisse der WU Wien.

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