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Studienergebnisse zu „Lohn statt Taschengeld“

Im 2. Teil zum Artikel über „Lohn statt Taschengeld“ geht es um die konkreten Ergebnisse der Wissenschaft zur Umstellung des Werkstätten-Systems.

Studienergebnisse zur Finanzverschiebung bei Systemumstellung

Im Dezember 2023 wurde eine Studie der WU Wien präsentiert, mit welchen finanziellen Auswirkungen die öffentliche Hand rechnen müsste, wenn auf ein System mit sozialversicherungspflichtiger Entlohnung umgestellt würde. Dies soll dem Arbeitsminister und Gesundheitsminister als Grundlage dienen, die das Thema bereits im Koalitionsprogramm aufgenommen haben (ob es sich bis zur nächsten Wahl noch ausgeht umzusetzen, bleibt dabei zu hinterfragen).

Die Ergebnisse der Studie beleuchten dabei den Zeitraum von 55 Jahren als ungefähre Arbeitsdauer einer Person mit Behinderung in einer Werkstatt. Es wurde dabei genau analysiert, welche Einrichtungen durch veränderte Geldflüsse, wie involviert wären. Trägereinrichtungen, also jene, die Werkstätten betreiben, Sozialversicherungen, Bund und Menschen mit Behinderungen würden dabei massiv im Plus aussteigen (Siehe Studienergebnisse Sprajcer, Nutinger und Grünhaus, 2023).

Die Länder hätten mit einem Mehraufwand von rund 400 Mio € in 55 Jahren zu rechnen. Die vielen Zahlen, welche zur Berechnung herangezogen wurden lassen sich aber so zusammenfassen: würde man den 28.000 Menschen mit Behinderungen ein Gehalt von 1.180 € brutto (14x/Jahr) zahlen, ergibt das Netto rund die Höhe der Ausgleichszulagenrichtsatz von 2020, auf deren Zahlen die Studie beruhen. Durch diese rund 1.000 € netto Einkommen, würde sich eine starke Systemveränderung einstellen. Insbesondere die Einkommensersatzleistungen würden durch eine sozialversicherungspflichtige Entlohnung ersetzt werden. Menschen mit Behinderungen hätten dann Ansprüche auf Pension, Arbeitslosengeld und andere reguläre Sozialleistungen und wären anderen Arbeitnehmer:innen gleich gestellt. Die Studienverfasser:innen betonen aber, „dass sie (Anm. Menschen mit Behinderungen in Werkstätten) selbst bei einer Steigerung der Verdienstmöglichkeiten und Erlangen (sic!) eines Pensionsanspruchs keine gesteigerte Motivation hätten das System vorzeitig zu verlassen“. (Sprajcer, Nutinger und Grünhaus, 2023). Das Alternativ- System wird von der Annahme getragen, dass die betroffenen Personen gerne in den Werkstätten sind, da es ihnen ein soziales Umfeld und eine Tagesbeschäftigung bietet.

Finanzierung- zeitgerecht

Diese Studienergebnisse bedeuten nun nicht, dass die Bundesländer die Gesamtleistung übernehmen müssen, sondern zeigen nur auf, wo Verschiebungen stattfinden würden. Sozialminister Rauch meinte dazu in der Pressekonferenz: „Es geht um Chancengleichheit […] und zwar unabhängig davon in welchem Bundesland die Person lebt. Wir haben uns im Rahmen der UN BRK dazu bekannt“.

Als relativ komplexe Verhandlungsgrundlage kann die Studie nun dazu dienen, dass sich Sozialversicherung, Träger, Bund und Länder darüber einigen, wie die benötigten Geldleistungen verteilt werden. Insgesamt würde diese Ausgaben- und Einnahmenveränderung zu rund 190 Mio € / Jahr Mehrausgabe für die öffentliche Hand bedeuten. Es geht hierbei nun also um eine Verteilungsfrage:

„Die dadurch ausgelösten Veränderungen der Finanzströme führen zu einer alternativen Verteilung der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund, Ländern, Sozialversicherung, Trägern und Menschen mit Behinderungen“.

Sprajcer, Nutinger und Grünhaus, 2023

Widl fügt aber hinzu, dass das Gehalt, auf dem die Berechnung beruht, einem Realitäts-Check unterzogen werden müsse (bezogen auf Teuerungen, Armutsgefährdung etc.) und es dürfe keine Person weniger bekommen, als bisher (Stichwort: Verschlechterungsverbot).

„Staatsverträge sind dazu da eingehalten zu werden“

Das neue Gehalts-Modell gibt Menschen mit Behinderungen ein Stück ihrer Selbstbestimmung, die ihnen rechtlich zusteht, es ist für uns also längst keine Frage mehr – ob das finanziert wird, sondern nur mehr wie und von wem. Kocher meinte dazu „es wird Diskussion bedürfen, aber das erklärte Ziel der Bundesregierung ist Schritt für Schritt vollständige Inklusion am Arbeitsmarkt zustande zu bringen“. Oder in den Worten des Sozialministers: „Staatsverträge [Anm.: Die UN Behindertenrechtskonvention] sind dazu da eingehalten zu werden, und nicht je nach finanzieller Ausgestaltung oder je nach Lust und Laune.“

Er sehe dies als Auftrag zur Umsetzung. Man solle es außerdem nicht nur aus der Perspektive der Betroffenen sehen, sondern er sei auch überzeugt „dass das nicht nur der Gesellschaft etwas bringt, sondern auch dem Arbeitsmarkt. Denn ein inklusiverer Arbeitsmarkt hilft auch den Arbeitgeber:innen“.

Einen ersten Fortschritt Richtung inklusiven Arbeitsmarkt gibt es jetzt: im Parlament wurde beschlossen, dass die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung bei jungen Menschen mit Behinderungen von 15 Jahren auf 25 angehoben wird.

„Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Inklusion. Das führt dazu, dass vor allem junge Menschen stärker am Arbeitsmarkt tätig werden können und ist auch einer der ersten Schritte, der fairen Lohn statt Taschengeld umsetzt.“

Arbeitsminister Kocher

Die Ergebnisse der Studie können in verschiedenen Versionen (Einfache Sprache, Zusammenfassung, Vollversion) auf der Webseite der WU nachgelesen werden.

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